Seien wir ehrlich: Die allermeisten von uns erzählen gerne von ihrer Heimatstadt, vor allem wenn sie unterwegs sind. Und klar, viel lieber reden wir voller Stolz über Attraktionen, „Leuchttürme“ und gute Entwicklungen. Wer berichtet im Urlaub schon gerne, er käme aus einer Stadt ohne Perspektive, Courage und Zukunft. Heimatliebe und Heimatstolz beeinflussen das Lebensgefühl von Menschen von jeher positiv. Ja, es hilft über manches hinweg, über Durststrecken, Rückschläge und Krisen.
Unser Mitglied – Unirektor Lambert T. Koch – spricht sich für die BUGA in Wuppertal aus
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Wuppertal ist so eine Stadt, auf die man stolz sein kann. Und die Gartenschau würde ihrem Image gut tun.
Wuppertal ist so eine Stadt, auf die man stolz sein kann. Bisweilen als Wiege der Industrialisierung bezeichnet, haben Erfinder, Unternehmer und Kulturschaffende ihr ein markantes Profil verpasst. Entsprechende Highlights kennen wir alle: Natürlich die Schwebebahn, die Bürgerparks, die Stadthalle, der Zoo, Pina Bausch, Tony Cragg, etc.; und auch heute noch finden sich entlang der Wupper die meisten Weltmarktführer aller (Nicht-Millionen-)Städte Deutschlands – das innovative Potenzial lebt also weiter.
Eigentlich Grund genug, mit dem Erreichten zufrieden zu sein, oder? Nun, die moderne Wissenschaft gießt hier Wasser in den Wein. Lässt sich doch zeigen, dass der Reiz und die Impulse vergangenen Erfolgs schnell nachlassen. Bürgerinnen und Bürger brauchen immer wieder neue Perspektiven, um optimistisch und mit Tatendrang in die Zukunft zu blicken. So, wie wir uns privat auf einen Urlaub freuen, auf ein Familienfest oder eine langersehnte Neuanschaffung, benötigen auch Städte – zumindest in einem mehrjährigen Abstand – „Meilensteinereignisse“; Neues, das fertig wird; Bedeutendes, von dem man in aller Welt berichten kann; Attraktionen, die Menschen anziehen.
Genau deshalb war es so wichtig, dem Döppersberg ein modernes Gepräge zu geben. Und daher ist es auch so entscheidend, Pina Bausch mit dem geplanten Zentrum weiterleben und alle Welt auch künftig an ihrem einmaligen Erbe teilhaben zu lassen. Doch das Profil einer so großen Stadt muss vielfältig sein und eben alle paar Jahre einen weiteren Meilenstein in Aussicht stellen. Der nächste, nach dem Pina Bausch-Zentrum, könnte 2031 die Bundesgartenschau in Wuppertal sein. Tatsächlich nämlich haben wir derzeit beste Chancen, den Zuschlag zu bekommen. Und es liegt auf der Hand, dass sich damit, sozusagen im Gefolge, riesige Chancen für die Stadtentwicklung schon im Vorfeld und dann in den Folgejahren ergeben.
Natürlich müssen die Stadtväter und Stadtmütter auch die finanzielle Seite im Auge haben. Das ist ihre Pflicht. Wuppertal ist klamm – trotz eines seriös haushaltenden Kämmerers. Die Zeiten der Misswirtschaft sind schon lange vorbei. Heute leidet die Stadt an einem über Jahrzehnte immer mehr aus den Fugen geratenen horizontalen und vertikalen Finanzausgleich über alle politischen Ebenen in Deutschland hinweg.
Daher sollte man fragen: Müssen wir Wuppertalerinnen und Wuppertaler uns für dieses Systemversagen langfristig in Haftung nehmen lassen? Darf uns dies die Zukunft verbauen? Oder ist es nicht vielmehr so, dass schon die Gründerväter und -mütter der Bundesrepublik realisiert hatten, erfolgreiche Daseinsgestaltung müsse „von unten her“ geschehen? Wir Bürgerinnen und Bürger leben zuallererst in unserem lokalen Umfeld. Dort müssen wir uns wohl fühlen. Hier müssen sich lebens- und liebenswerte Perspektiven erkennen lassen – nicht zuletzt um ein Gefühl von Teilhabe, Selbstachtung und Motivation zu erfahren.
Für Experten liegt auf der Hand, dass es früher oder später zu einer Neustrukturierung des Finanzausgleichs von der kommunalen bis zur europäischen Ebene kommen muss. Dabei ist gerade mit Blick auf Brüssel keinesfalls zu bezweifeln, dass die Europäische Union wichtige Aufgaben übernimmt. Doch wenn die europäische Idee Bestand haben soll, dürfen die Budgets der Staatenunion nicht schneller wachsen als diejenigen an der kommunalen Basis. Für den Moment heißt es daher, nicht in vorauseilendem Gehorsam vor der Macht des Faktischen zu kuschen. Hierbei geht es nicht darum, das Geld zum Fenster hinauszuwerfen, sondern um Entwicklungsinvestitionen – darum, überhaupt erst nachhaltige Stadtentwicklungserfolge zu ermöglichen.
Logisch, eine Buga ist nicht alles. Optimalerweise muss eine Großstadt stets mehrere Eisen im Feuer haben: bildungsbezogene, kulturelle, soziale, sportliche und viele andere. Doch angesichts knapper Mittel und großer Konkurrenz heißt es zugleich, sich bietende Chancen zu nutzen, bevor sie vorüber sind, und die Menschen dabei mitzunehmen.
Naturgemäß können nicht jede und jeder etwas mit einer Gartenschau anfangen. Doch alle, das steht fest, werden am Ende davon profitieren, mindestens indirekt. Betrachtet man Kosten und Nutzen einer solchen Investition, mag die Rechnung zunächst negativ aussehen. Zumindest, wenn man dazu neigt, nur die direkten Kosten und Erträge anzuschauen.
Doch Touristen kommen eben nicht nur im Jahr 2031, sondern die Stadt wird schon vorher interessanter und bleibt es danach über Jahrzehnte. Auch der Freizeitwert der Region für die Einheimischen steigt bereits im Vorfeld allmählich an und erhält sich lange über die eigentliche Bundesgartenschau hinweg. Es entsteht ein Investitionssog, der Gastronomie, Freizeitindustrie, Kunstgewerbe, das Handwerk und andere – vor allem kleinere Unternehmen – anzieht. Auch die bereits vorhandenen Attraktionen lassen sich im Zuge einer Buga mit vermarkten, zum Beispiel als Paketangebote im Rahmen von europaweit vertriebenen Städtereisen.
Dies alles wiederum bringt positive Imageeffekte mit sich. Erst wird jenseits Wuppertals möglicherweise nur zögerlich berichtet werden, dann jedoch immer mehr und schließlich wird überall die Geschichte einer erwachenden Stadt mit großer Vergangenheit und nicht minder großer Zukunft erzählt. Vorausgesetzt, das städtische Marketing fängt den Ball auf. Überhaupt lassen sich, aller Erfahrung nach, solche Großprojekte hervorragend nutzen, um Huckepack weitere Themen zu transportieren: Im Falle Wuppertals zum Beispiel die Themen grüne Stadt, Stadt der neuen Mobilität, Radfahrkommune, Stadt modernster digitaler Lösungen, Stadt der Entrepreneure, usw.
Mit dem sich verbessernden Image wiederum werden junge Familien angezogen, kommen Start-ups in die Stadt und lassen sich vermehrt spannende EU-Projekte akquirieren. Wenn also auch die direkten Erträge bis zum Jahre 2031 die nötigen Investitionen nur mühsam decken sollten, so multiplizieren sich in der Folgezeit die Nutzeneffekte umso mehr. Dies steht fest, selbst wenn es unseriös wäre, jetzt schon eine Quantifizierung versuchen zu wollen. Profitieren können nicht nur Einzelne, Familien und der Wirtschaftssektor, sondern über Jahre hinaus auch das Stadtsäckel: Dies betrifft etwa den kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer und Einkommensteuer oder auch die Gewerbesteuer.
Wichtig ist es, den Kämmerer jetzt nicht im Regen stehen zu lassen, sondern gemeinsam über intertemporale Mischfinanzierungskonzepte nachzudenken. Ebenso wäre die Buga-Initiative zum Scheitern verurteilt, wenn man begänne, sie gegen weitere Meilensteinprojekte der kommenden Jahre auszuspielen. Visionär und erfolgreich zu agieren heißt vielmehr, sich nun im Zuge hoffnungschaffender Zukunftsprojekte gemeinsam gegen das zerstörerische Diktat einer von außen aufgedrückten kommunalen Finanzmisere zu wehren.